Ein Gastbeitrag von Leinenengel
Johanna von EinHundRudel hat sich einen Artikel aus Trainersicht zu einem ganz bestimmten Thema gewünscht, nämlich der Bestrafung in der Hundeerziehung.
Mit den Lerntheorien hat sich Burrhus Frederic Skinner beschäftigt. Auf ihn und seine Erkenntnisse werde ich in diesem Artikel näher eingehen.
Wer war Skinner?
Burrhus Frederic Skinner (* 20. März 1904 in Susquehanna Depot, Susquehanna County, Pennsylvania; † 18. August 1990 in Cambridge, Massachusetts), bekannt als B. F. Skinner, war ein US-amerikanischer Psychologe und der prominenteste Vertreter des Behaviorismus in den USA. Er prägte die Bezeichnung operante Konditionierung, erfand das sogenannte programmierte Lernen und verfasste den weltweit beachteten utopischen Roman Walden Two (auf Deutsch zunächst unter dem Titel Futurum Zwei erschienen). Skinner ist der Begründer des Radikalen Behaviorismus und der Verhaltensanalyse.
Skinner wurde 2002 in der Fachzeitschrift Review of General Psychology (herausgegeben durch die American Psychological Association) vor Jean Piaget und Sigmund Freud als der bedeutendste Psychologe des 20. Jahrhunderts bezeichnet.
Quelle: Wikipedia
Skinner entwickelte die „operante Konditionierung“ mittels Versuchen an Ratten in der „Skinner-Box“. In seinen Versuchen ging es nicht darum, dass die Ratten aufgrund eines Reizes eine Reaktion zeigen sollten, sondern vielmehr ging es darum, wie die auf eine Reaktion folgenden Konsequenzen eine Handlungsweise beeinflussen.
Aus seinen Versuchen:
Die Ratten wurden in einen Käfig (Box) gesperrt, welche mit mehreren Signalleuchten, einem Napf und einem Hebel ausgestattet war, welcher die Stromzufuhr im Bodengitter regelte. Der Hebel hatte außerdem je nach Versuchstier und Versuchsanordnung eine unterschiedliche Konsequenz.
So bekam Ratte 1 beim Betätigen des Hebels einen Stromschlag. Ratte 2 hingegen erhielt Futter und Ratte 3 konnte mit Betätigen des Hebels den Strom komplett abstellen.
Die operante Konditionierung
Bei der operanten Konditionierung spricht man vom „Lernen am Erfolg“. Es geht um die Motivation des Hundes ein bestimmtes Verhalten öfter zu zeigen oder einzustellen, dies erreichen wir durch eine Verstärkung. Unter Verstärkung verstehen wir eine Konsequenz, welche darüber entscheidet, ob das Verhalten wieder gezeigt wird oder nicht.
Ganz konkret bedeutet operant auch „einwirken“. Der Hund „operiert in seiner Umwelt“ – mit dieser Verhaltensweise ist es dem Hund möglich seine Umwelt zu beeinflussen. Der Hund entwickelt von sich aus, aktiv, Verhaltensweisen, welches Reaktionen aus seiner Umwelt hervorrufen.
Beispiel:
Wir wollen unserem Hund das „Sitz“ beibringen. Unser Hund setzt sich spontan von sich aus hin und wir belohnen innerhalb kürzester Zeit (0,5 Sekunden). Auch wenn wir ganz bewusst das „Sitz“ üben wollten, so hat der Hund dieses Verhalten von sich aus angeboten und die Konsequenz war eine Belohnung (positive Verstärkung). Der Hund macht die Erfahrung, dass sich sein Verhalten lohnt und wird es zukünftig öfter anbieten.
Arbeitet man mit der operanten Konditionierung, arbeitet man also mit sogenannten Verstärkern. In meiner Ausbildung als Trainerin ist mir ein Bild im Kopf besonders hängen geblieben und zwar eine Grafik, welche über positive, wie auch negative Verstärker aufklärt.
Positiv und Negativ wird hier nicht als gut oder schlecht angesehen, sondern gantz mathematisch als „etwas hinzufügen“ und „etwas wegnehmen“.
Beispiele für diese vier Arten der Verstärkung:
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positive Belohnung – der Keks fürs „sitzen“
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positive Strafe – der Leinenruck fürs Ziehen an der Leine
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negative Belohnung – den Hund mit der Hand auf dem Rücken ins Sitz drücken, der nachlassende Druck ist hierbei die Belohnung (Erleichterung)
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negative Strafe – der Hund wird für Fehlverhalten ignoriert

Strafe unter der Lupe
Genauer werde ich mich jetzt einmal mit dem Aspekt der positiven Strafe auseinandersetzen, hierzu hatte Johanna nämlich ein paar Fragen.
Wo beginnt für mich Strafe?
Strafe kann schon das gesprochene Wort sein. Jeder kennt es, vor allem in Schrecksekunden, man brüllt dem Hund ein „NEIN!“ entgegen, wenn dieser am Wegesrand vielleicht gerade etwas ins Auge gefasst hat, was er aufnehmen möchte. Sobald es dem Hund unangenehm ist, weil er sich vor unserem Brüllen erschrocken hat, er Anzeichen von Angst oder Unsicherheit zeigt, sprechen wir in diesem Fall von Strafe. Wir haben mit dem „gebrüllten NEIN“, dem Hund etwas hinzugefügt, wir haben ihn positiv gestraft.
So gesehen, ist also alles das, was ich dem Hund hinzufüge, damit er ein unerwünschtes Verhalten sein lässt, eine Strafe.
Es gibt aber ja auch noch die negative Form der Strafe. Man kommt nach Hause und wird erst einmal überschwänglich von seinem Hund begrüßt – auf Augenhöhe. Eine Möglichkeit seinem Hund dies abzugewöhnen ist, sich einfach umzudrehen und den Hund zu ignorieren. Eine, ich finde, recht harmlose Form von Strafe. Für manchen Hund ist dies unangenehm, möchte er doch viel lieber bei seinem Menschen sein und Beachtung finden, während wir ihn für ein unerwünschtes Verhalten mit sozialem Entzug, mit Ignorieren strafen.

Gibt es Formen von ethisch vertretbaren Strafen in der Hundeerziehung?
Ja gibt es! Wichtig sollte aber immer sein, dass ich weiß, was ich für einen Hund vor mir habe. Hunde unterscheiden sich natürlich in ihrem Verhalten und auch in der Vehemenz, mit der sie handeln, bzw ihre Ziele verfolgen. Denn darum geht es, Hunde verfolgen mit ihrem Handeln ein Ziel.
Bleiben wir mal bei dem o.g. Beispiel, seinem Hund ein „NEIN!“ zuzubrüllen. Wäre meine Hündin Mira gerade dabei gewesen, Fressbares am Wegesrand aufzunehmen und ich hätte ihr ein „NEIN!“ zugebrüllt, so wäre sie in diesem Moment völlig verschreckt erstarrt und hätte überlegt, ob es jetzt schlauer wäre, vielleicht auch noch das Atmen einzustellen, bevor sie noch einmal angebrüllt wird. Jungspund Happy hätte wahrscheinlich Angst gehabt, dass sie mit mir Teilen muss. Sie hätte in Folge dessen völlig unbeeindruckt nur noch schneller gefressen.
Bei Mira hätte im Normalfall ein Räuspern genügt, sie ist die Art Hund, die bereits bei hochgezogener Augenbraue zu Kreuze kriecht.
Daher sollten 3 wichtige Dinge beachten (wenn man denn positiv straft):
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Die Strafe muss IMMER folgen, wenn der Hund das unerwünschte Verhalten zeigt (Konsequenz)
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Die Strafe muss INTENSIV genug sein, das Verhalten zuverlässig zu unterbinden (Intensität)
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Die Strafe muss SOFORT erfolgen, damit der Hudn eine Verknüpfung zwischen Verhalten und Strafe herstellen kann (Timing)
Ethisch vertretbar wäre für mich schon, die Stimme zu erheben oder den Hund zu ignorieren, ebenso räumlich einzugrenzen. All das, was jedoch mit Gewalt einhergeht, lehne ich ab. Seinen Hund mit der Leine zu strangulieren, weil er beispielsweise nicht vernünftig an selbiger läuft, zu kneifen und zu treten oder ähnliches, ist doch nicht zielführend. Was genau lernt der Hund denn dabei? Eigentlich nichts, im Gegenteil, die Verhaltensweisen werden lediglich gedeckelt.
Ist ignorieren des unerwünschten Verhaltens immer der richtige Weg?
Nein – denn es gibt Verhaltensweise, die für uns unerwünscht sind, die für den Hund aber selbstbelohnend sind. Gehen wir zurück zu Skinner und der operanten Konditioniereung, dann geht es um Lernen am Erfolg, zeigt der Hund also ein Verhalten, dass sich für ihn lohnt, wird er es immer wieder zeigen. In diesen Situationen habe ich also nichts davon, dass ich das Verhalten ignoriere, denn der Hund belohnt sich fortlaufend selbst dabei.
Beispiel hierzu: Oft kommt er jeden Tag zur gleichen Zeit – der Postbote. Hund hört ihn, schlägt an und macht die Erfahrung, der geht auch ganz schnell wieder. Was lernt er? Mein Bellen bringt den Postboten dazu, ganz schnell auch wieder zu flüchten. Bellen bringt also den Erfolg – warum also einstellen?
Was passiert, wenn ich dieses unerwünschte Verhalten igoriere, kann sich wohl jeder ausmalen.

Meine Meinung zu Hundetrainern, die nachweislich ethisch nicht vertretbare Methoden in der Hundeerziehung verwenden
Ich als Hundetrainerin habe an mich selbst den Anspruch, für jedes Mensch-Hund-Team den passenden Weg im Training zu finden. Aufgrund der Individualität eines jeden Teams, kann es nicht nur Schema F geben! In der heutigen Zeit gibt es so viele Möglichkeiten und Methoden seinen Hund zu einem entspannten und verlässlichen Begleiter zu erziehen, so dass ethisch nicht vertretbare Methoden in keinster Weise auch nur die kleinste Daseinsberechtigung haben.
Schaffe ich mir einen Hund an, sollte ich mir im Klaren darüber sein, dass eine gute Erziehung auch jede Menge Fleiß und Zeit beansprucht. Genau hier sehe ich das Problem! In unserer heutigen, schnelllebigen Zeit möchte man zwar einen Hund, aber dieser muss möglichst schnell so funktionieren, wie man es gern hätte.
Höher, Schneller, Weiter – ein Motto, welches auch auf Hundehalter zutrifft. Erziehung in kürzester Zeit, mit minimalem Aufwand.
Ein vertrauensvolles Verhältnis – eine Partnerschaft zwischen Mensch und Hund ist nicht „einfach so da“. Eine solche Beziehung muss sich entwickeln, dazu Bedarf es Training und Verständnis dafür, dass auch ein Hund keine Maschine ist.
Eigentlich ein Widerspruch in sich, wenn man davon ausgeht, mit ethisch nicht vertretbaren Methoden einen schnellen Erfolg erzielen zu wollen. Auch wenn sich dieser gewünschte Erfolg im Training zunächst einstellt, was ist der Preis dafür? Ist es wirklich mein Ziel einen Roboter an meiner Seite zu haben, der lieber pariert, bevor es schmerzhaft wird?
Unarten und unerwünschtes Verhalten kann ich so vielleicht kurzzeitig deckeln, aber bleibt das dann so? Habe ich dann zeitlebens einen gut erzogenen Hund an meiner Seite? Ich denke nein! Ich vergleiche dies gern mit einem Vulkan, bei dem es zunächst nur unter der Oberfläche brodelt, bis er dann doch irgendwann ausbricht.
Es gibt so viele wirklich tolle Möglichkeiten seinen Hund zu trainieren! Motivierte Hund und ihre Menschen beim Training zu beobachten, wie sie ZUSAMMEN Spaß haben – es gibt nicht schöneres.
4 Antworten
Vielen Dank noch einmal, dass ich mich hier bei Dir zu dem Thema äußern durfte ?
Ein wirklich wichtiges Thema!
Ja, das finde ich auch! Danke, dass du dir die Zeit dafür genommen hast ♥
Hallo,
toller Beitrag. Ich finde es sehr schön, wie sich hier sehr deutlich gegen Averive Trainingsmethoden ausgesprochen wird.
Von dem Versuch mit den Ratten habe ich direkt noch mehr gelesen und bin hoch erstaunt:)
Danke dafür !
Hallo!
Dankeschön, Nicole hat da wirklich einen wunderbaren Beitrag verfasst!
Skinner war wirklich eine Spannende Persönlichkeit und ja, als ich im Psychologieunterricht das erste mal von diesen Experimenten gehört habe, war ich auch begeistert! Der Einzige, der das noch übertrifft, ist Pawlow 😀
Liebe Grüße! ♥